Nachbericht Internationale Streuobsttagung 15. und 16. Mai 2025 (Bregenz)
Veranstaltungen25. Juni 2025
Nachbericht von DI (FH) Ulrich Höfert, Obst/Garten
Das Drei-(oder Vier-)Ländereck am Bodensee ist wegen der langen Obstbautradition aber auch der gemeinsamen Sprache prädestiniert für eine gemeinsame Veranstaltung. Der Versuch von Landwirtschaftskammer Vorarlberg und Landw. Zentrum St. Gallen, eine gemeinsame Tagung zum Thema Obstanbau auf Hochstämmen zu initiieren, wurde mit über 100 Anmeldungen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum honoriert. Die Tagung war somit komplett ausgebucht.
Tag 1: Vorträge
Tag eins war gefüllt mit einem reichhaltigen Vortragsprogramm. Zunächst gaben die Initiatoren der Tagung, Richard Hollenstein und Ulrich Höfert, einen Einblick über die Situation des Streuobstanbaus auf der jeweiligen Seite des Rheins. Es zeigte sich bereits hier, dass, trotz aller Ähnlichkeiten, im Bereich der Most- und Saftherstellung die Schweiz mit einer beeindruckenden Wertschöpfungskette aufwarten kann. Dies ist maßgeblich der staatlichen Förderung von Hochstammobst mit bis zu 50 Franken pro Baum und Jahr, zzgl. allfälliger Kantonszuschüsse, zuzurechnen. Vorarlberg hat Stärken im Bereich der Destillate und der Fachverbände.
Anna Dalbosco (Fructus) und Richard Dietrich (Dietrich Kostbarkeiten) berichteten über die Bemühungen der letzten Jahre, regionale Apfelsorten zu bestimmen, vor allem mittels DNA-Analysen. Es zeigte sich, dass viele Sorten mit unterschiedlichem Namen dieselben sind, umgekehrt waren aber auch manche Sorten mit gleichen Namen genetisch verschieden.
Neue Mostapfelsorten für die nächste Generation stellte Perrine Gravalon vom Agroscope vor. Besonders wies sie auf die drei Neuzüchtungen Wally, Wisper und Witta hin, die in der Schweiz ab nächstem Jahr in den Anbau gehen sollen. Agroscope bietet auch demnächst eine neue Sortenbroschüre über wertvolle Mostapfelsorten an. Die alte Broschüre von 2018 ist im Internet erhältlich (www.agroscope.admin.ch).
Den Themenbereich der Birnen deckten Thomas Hepperle vom KOB Bavendorf und der bekannte Brenner August Kottmann ab. Im Birnensortengarten bei Überlingen beobachtet Thomas Hepperle über 300 Birnensorten und konnte feststellen, dass bereits jetzt einige bekannte Sorten wegen Wassermangels kränkeln und absterben. Andererseits gibt er robusten Sorten wie Bayr. Weinbirne, Metzer Bratbirne, Karcherbirne, Palmischbirne, Nägelesbirne, Wilde Eierbirne, Welscher Bratbirne und Kirchensaller Mostbirne gute Chancen, auch in Zukunft mit Klimawandel und neuen Krankheiten gut zurecht zu kommen. Dass diese Sorten wertvoll in der Veredelung sind, betonte August Kottmann mit großem Detailwissen in seinem lebhaften Vortrag.
Als Beispiele einer funktionierenden Wertschöpfungskette (Vom Baum bis ins Glas) stellten Kirschan Cords (Main Streuobst Bienen eG), Günter Bösch (Lustenauer Saft) und Ernst Möhl (Mosterei Möhl) ihre Projekte vor.
Richard Hollenstein betonte in seinen Ausführungen zur richtigen Neupflanzung neben dem richtigen Standort und einer passenden Sorte die unbedingte Notwendigkeit einer guten Nährstoffversorgung. Magerwiese und Hochstämme passen nicht zusammen, wie er deutlich betonte. Neben einer regelmäßigen Düngung über den Boden empfahl er auch Blattdüngungen bei Pflanzenschutzmaßnahmen sowie Nährstoffinjektionen direkt in den Wurzelraum.
Warum dies so wichtig ist, erklärte Marlis Nölly vom Beratungszentrum Arenenberg. Sie stellte Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit vor. Neben dem Preis, der Arbeitswirtschaft und öffentlichen Zuschüssen ist vor allem der Ertrag ein wichtiger Faktor. Er sollte mind. bei 35 Tonnen pro Hektar liegen. Das geht nur mit guter Nährstoffversorgung. Aber selbst dann ist die Wirtschaftlichkeit noch knapp. In der EU, mit nur sehr kleiner öffentlicher Förderung, sieht es nochmals trauriger aus. Jedenfalls ist beim Hochstammobstbau Idealismus gefragt.
Die Tagung diente neben der Informationsvermittlung auch der Vernetzung der vielen unterschiedlichen „Player“ im großen „Streuobstspiel“. Diese scheint gut gelungen zu sein.
Tagungsbeiträge zum Download
Hochstammobst: Die zwei Seiten des Rheins, R. Hollenstein, U. Höfert
Alte Sorten, neue Methoden: Sortenbestimmung im Jahr 2025, Richard Dietrich, Lauterach/A,
Alte Sorten, neue Methoden: Sortenbestimmung im Jahr 2025, Anna Dalbosco, Fructus/CH
Mostäpfel für dieses Jahrhundert: Gut wachsen und gut munden, Perrine Gravalon, Agroscope/CH
Birnensorten mit Perspektive: Klimafit und deliziös, Thomas Hepperle, KOB Bavendorf/D
Edle Birnen: Bekannte Streuobstsorten destillieren, August Kottmann, Bad Ditzenbach/D
Vom Baum bis ins Glas: Einige Beispiele Main-Streuobst-Bienen, Krischan Cords, Margetshöchheim/D
Lustenauer Saft, Günter Bösch, Gemeinde Lustenau/A
Mosterei Möhl, Ernst Möhl, Stachen/CH
Weitblick ist keine Krankheit: Hochstämme richtig anlegen Richard Hollenstein, LZSG Flawil/CH
Ohne Moos nix los: Die wirtschaftliche Seite der Hochstämme, Marlis Nölly, BBZ Arenenberg/CH
10a_Wirtschaftlichkeitsberechnung_Hochstamm_QI_2024
10b_Wirtschaftlichkeitsberechnung_Hochstamm_QII_+_Vernetzung_2024
10c_Wirtschaftlichkeitsberechnung_Hochstamm_QII_2024
Tag 2: Betriebsbesichtigungen
Tag zwei war Betriebsbesichtigungen gewidmet. Die Mosterei Krammel in Lustenau stellte die neuen Mostobstanlagen vor, wo Hochstämme mit langer Entwicklungsphase neben kleineren Baumformen mit raschen Ertragseintritt stehen. Eindrücklich schilderte er die Wühlmausplage der ersten Jahre. Wie überhaupt bei allen Betrieben die Wühlmausproblematik ein herausragendes Thema ist.
Ernst Möhl präsentierte das Produkt- und Vermarktungskonzept seiner großen Mosterei, die ausschließlich auf Schweizer Obst setzt. Interessant ist der Trend, auch Moste und Cider alkoholfrei zu vermarkten.
Bei den Betrieben Müller und Hafner in der Nähe vom Schweizerischen Muolen konnten dann die modernen Hochstammanlagen samt entsprechender Technik (Schüttler, Auflesemaschine, Hochstammspritze etc.) in Augenschein genommen werden. Die dafür notwendige Erziehungsform mit sehr steil aufragenden Leitästen erstaunte manche der Zuhörer. Auch die reichliche Nährstoffversorgung mit ca. fünf Güllegaben, zusätzlich Blattdüngung und evtl. Lanzendüngung, ist in anderen Ländern nicht üblich. Aber die Stimmung ist, zumindest auf Schweizer Seite, sehr gut.
Einen umfangreichen Exkursionsbericht mit vielen Bildern hat DI Stefan Tschiggerl (Fachverein der steirischen ObstbaumwärterInnen und Fachbeirat Streuobst Österreich) bereitgestellt - herzlich Dank dafür!